St. Ägidius-Kirche

Die St. Ägidius-Kirche ist ein ganz besonderes Schmuckstück in unserer Gemeinde und wurde zu einer Zeit gebaut, die alles andere als eine segensreiche Zeit war. Zwei Wochen nach ihrer Grundsteinlegung, am 20. Juli 1914, brach der Erste Weltkrieg aus, und unter dieser unglücklichen Voraussetzung ist es auch nicht verwunderlich, dass der Kirchenbau erst zum Jahreswechsel 1918/19 vollendet wurde, als auch der Krieg sein Ende fand.

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So wurde der Einweihungstag, der 19. Februar 1919, an dem Herr Oberkonsistorialrat Ostertag aus Bayreuth das Gotteshaus dem dienstlichen Gebrauch übergab und Herr Pfarrer Max Sommer die Festpredigt hielt, Abschluss und Anfang zugleich. Abschluss einer langjährigen gemeinsamen Anstrengung für ein neues Gotteshaus und Anfang einer neuen Begegnung mit dem Wort Gottes.

In der aufstrebenden Korbmachergemeinde Redwitz genügte zu Beginn des 20. Jahrhunderts die alte Schlosskapelle nicht mehr den gestiegenen Platzanforderungen. Im Jahre 1900 hatte die Pfarrei Obristfeld 1100 Gemeindeglieder, wovon aber 800 zur „Filialkirche“ Redwitz gehörten. Hier konnte die Kapelle mit ihren knapp 180 Sitzplätzen nicht mehr annähernd genügen, zumal die Breite des Zwischenganges nur 67 Zentimeter betrug und die Sitzplätze auf den Emporen aus einfachen Balken bestanden.

So war es nicht ganz überraschend, dass sich am 16. Dezember 1900 59 Gemeindeglieder versammelten, um die Gründung eines Kirchenbauvereins in die Wege zu leiten. Ziel war es „die Wege zu ebnen, ein würdiges Gotteshaus zu bekommen und die Mittel hiezu im Laufe der Jahre durch Sammlungen, Veranstaltungen, Beiträge und Bittgesuche aufzubringen“. Die offizielle Gründung des Vereins erfolgte am 25. Mai 1902.

Man wollte somit nach der Selbstständigkeit der Pfarrei (1853) und dem Verkauf des Schlosses (1873) die Rechtsverhältnisse geklärt haben und ein eigenes und größeres Kirchengebäude besitzen.

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Am 20. Juli 1914 fand die Grundsteinlegung nach den Plänen des Architekten Johann Will statt. Den Baugrund hatte der Gutsbesitzer Paul Gampert unentgeltlich abgetreten. Die Rohbauarbeiten gingen zügig voran, schon im November wurde aufgerichtet. Im Sommer 1915 wurde eine neue Turmuhr montiert. Bis Ende 1916 waren die wichtigsten Stücke der Inneneinrichtung, Kanzel, Altar und Orgel bereits aufgestellt.

An der sich nun hinausziehenden Vollendung spürte man deutlich die zunehmenden Rückwirkungen des Krieges. Ganz offensichtlich sollte die neue Kirche nicht eher in Benutzung genommen werden, bis auch die letzten vorgesehenen Teile der Einrichtung angeliefert waren. Erst 1919 hatte man den Neubau des Langhauses mit Chor und Sakristei bewältigt, der an den alten Turm der Schlosskapelle aus dem Jahre 1637 in nordsüdlicher Richtung angefügt wurde.

Die Gesamtkosten des Baues vom Grundstein und den darin enthaltenen Münzen bis zum Giebelkreuz betrugen 120.742.- Mark und wurden durch das Vermögen des Vereins, einer Landeskollekte, den Umlagen der Bewohner und den Einzelstiftungen aufgebracht.

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Im Laufe der Jahre waren wiederholt Handwerker in der Kirche tätig:

1954    Einbau einer elektrischen Heizung
1959    neuer Innenanstrich
1960    Einbau eines elektrischen Antriebs für die drei Glocken
1964    Umbau der Strebel-Orgel (elektrische Traktur)
1966    Generalüberholung des Kirchendaches
1967    Installation neuer Beleuchtungskörper
1977    Renovierung der Außenfassade
1979    Bau der Parkplätze
1990    Komplette Innenrenovierung
2003    Schieferneueindeckung des Turmes und Renovierung der Turmfassade
2008    Generalsanierung der Orgel
2010    Glockensanierung und Überholung der Läuteanlage
 
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Kurze Beschreibung der Kirchenausstattung

Der in Neurenaissanceformen errichtete Kirchenbau erhielt einen recht gotisch wirkenden Chor. Dieser erhöhte, polygonale Chorbereich liegt hinter einem runden Chorbogen mit weit von einem Schlussstein herabgezogenen Rippen. Im holztonnengewölbten Langhaus wurden auf zwei Seiten Emporen eingezogen.

Im engen, erhöhten Chor steht der Altar mit einem Retabel, das ganz an barocke Exemplare erinnert mit seitlich je einer Säule, schmaler Inschriftpredella, weit herabgezogenen vergoldeten Wangen und einen Ädikula- Auszug (Bildhauer Scharrer, Nürnberg). Auf dem großen Mittelbild ist eine Ölmalerei der Kreuzigungsgruppe dargestellt (Prof. Georg Kellner, Nürnberg), im Ädikulafeld eine Gott-Vater-Darstellung.

Ganz im Stil des Neubarock angelegt ist die Kanzel mit den aus der Barockzeit gewohnten plastischen Figuren von Christus und den Evangelisten auf den Brüstungsflächen und Engelköpfchen am Schalldeckel, geschaffen von dem Bildhauer Scharrer, Nürnberg.

1919 war die fertige Kirche mit einem Taufstein ausgestattet, der von Michael Pülz gearbeitet und früher in der Zentralachse aufgestellt war, nun seitlich steht, und in den Formen der nachreformatorischen Jahrzehnte gefertigt ist: kelchförmig, polygonales Becken mit wappenartigen Flachreliefs. Der dekorative Deckel ist mit einer Krone und der Erdkugel verziert.

Die Orgel mit fünfteiligen Prospekt und breiten Wangen stammt von der Firma Strebel in Nürnberg.

Das in der Holztonnendecke eingelassene, gerahmte Bild stellt Jesu als Auferstandenen, Segnenden, gen Himmel Fahrenden dar. Das Gemälde „Isaaks Opferung“ ist von der Familie Pülz aus Tettau gestiftet worden. Das Lutherbild über dem Eingang zur Sakristei ist unbekannter Herkunft. Ebenso ein Gemälde aus dem Jahre 1829 mit zwei Engeln und folgender Inschrift: „Herr, ich habe lieb die Stätte deines Hauses und den Ort, da deine Ehre wohnt Ps 26,8 Dir zu danken mit lauter Stimme und zu verkündigen alle deine Wunder“.

 

Thilo Hanft | Aug. 2011